Montag, 15. Mai 2006

Wie "Liebeslänglich enstand - Der Knast

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, daß man eine Knastsituation nur richtig erleben kann, wenn man tatsächlich zu einer richtigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Aber so weit wollte ich mit meinen Recherchen nicht gehen. Ich kann ja auch keinen umbringen, nur weil ich das hin und wieder auf dem Papier mache.
Aber der 24-stündige Knastaufenthalt hatte dennoch viel Informatives. Wann kann man sich schon eine Zelle in aller Ruhe ansehen? Die Einrichtung: Sehr, sehr karg. Schreibtisch, Bett, Schrank. Aber immerhin ein abgetrenntes Klo, was in älteren Knästen nicht unbedingt so ist. Duschen geht nur in der Gemeinschaftsdusche zu festen Zeiten. Überhaupt ist für die Häftlinge der ganze Tag geregelt, von vorn bis hinten - nur abends, nach dem Einschluss, da ist man dann sich selbst überlassen. Neue Häflinge haben nicht einmal einen Fernseher oder ein Radio, solche Dinge muss man sich erst durch Wohlverhalten erwerben. Genug Zeit also, über seine Taten nachzudenken.
Bei der Ankunft werden wir und das Gepäck durchsucht, es werden Handys einkassiert und Schokolade und dergleichen. Dann gibt es einige Infoveranstaltungen, noch herrscht eher Seminaratmosphäre. Dann werden wir in Gruppen zu ca. 20 Leuten - natürlich nach Geschlechtern getrennt - eingeteilt und von unserer "Schließerin" auf unsere "Station" gebracht. Ab jetzt kein Schritt mehr ohne Schlüsselgerassel. Nur noch auf dem Gang der Station dürfen wir uns man frei bewegen. Zuteilung einer Zelle.
Die dünne Matratze, die auf einem Brett liegt, verspricht eine harte Nacht. Die Bettwäsche fühlt sich an wie Gummi.
Wir simulieren mit der Schließerin ein Aufnahmegespräch und bekommen Einblicke in den Formularkrieg, der so einen Haftablauf begleitet. Dann Abendessen und Krökeln. Spätestens nach dem Essen hätte ich für ein Stück Schokolade glatt gemordet ... Zumal das Abendessen recht früh serviert wurde und nicht gerade üppig war. Labberbrot mit irgendwas, aber nicht viel davon. Und zu trinken immer nur diesen Jugendherbergstee aus dem Plastikbecher. Uns knurrt der Magen. Die Schließerin sitzt in ihrem Kabuff hinter Glas und ißt genüßlich einen Schokoriegel!
Dann, um acht (für die Häflinge schon früher) dreht sich der Schlüssel und man ist eingeschlossen. Ich muss zugeben, die Matratze ist ungewohnt, aber ansonsten habe ich schon in schlechteren Hotelzimmern geschlafen. Nicht zu vergessen - dieser Knast ist ja nagelneu! Da ich nicht wusste, wann das Licht ausgemacht wird, habe ich mir zum Lesen eine Stirnlampe mitgebracht, aber die brauche ich nicht. Licht gibts immer.
Wecken um halb sieben. Allgemeines Gejammer über die harte Matratze. Kein Kaffee, kein Schwarztee. Wir meutern, und die Schließerin erbarmt sich. Eine Kanne Kaffee für alle. Wieder Labberbrote. Diverse Seminare, dann eine Führung durch den Knast. Sehr beeindruckend ist die "Sicherheitsabteilung". Einzelzellen, besonders gesichert mit sehr stabilem Mobiliar. Hier kommen Mafiaangehörige hinein, oder Häftlinge, die latent gewalttätig sind. Ein Käfig von 10 m² für den einstündigen Hofgang - immer allein. Besonders beklemmend ist der Toberaum: Eine Matratze am Boden, vier (oder sechs?) Metallbügel zum Festschnallen, eine französische Toilette, eine Kamera.
Mittagessen. Das ist nicht schlecht und auch ausreichend, aber immer noch keine Schokolade.
Dann eine gemeinsame Abschlussveranstaltung in der riesigen Turnhalle mit der Lokalprominenz. Endlich Kekse auf den Tischen! Sachen packen - Entlassung!
Mir kommt es vor, als sei ich eine Woche da drin gewesen. Ein letzter Blick auf die Stacheldrahtrollen. Nein, lieber nichts anstellen ...
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